Testbericht: Hantek 6022BL
2 Kanal PC-Oszilloskop mit 20Mhz Bandbreite und Logic Analyzer
Ab etwa 70 Euro sind die PC-Oszilloskope von Hantek aus Fernost erhältlich, ab ca. 130 bis 500 Euro bekommt man ihre Pendants mit deutscher Typenbezeichnung, aber identischer Software. Afug-Info.de unterzog den Hantek 6022BL mit integriertem Logik-Tester (baugleiches Modell ohne Logik-Tester: Hantek 6022BE) einem Praxistest. Im Ergebnis zeigten sich erhebliche Mängel.
Kurz vorab zur Funktionsweise eines PC-Oszilloskops im Allgemeinen: Das Gerät wird über USB mit dem PC verbunden, auf dem der entsprechende USB-Treiber und die zugehörige Software installiert sind. Über die Software kann man dann auf dem PC-Bildschirm die Messergebnisse betrachten und die Oszilloskop-Einstellungen vornehmen, was besonders für Lehrzwecke, den mobilen Einsatz oder im Kfz-Bereich ideal ist.
Das Testgerät - Hantek 6022BL
Beim Testgerät handelt es sich um ein Hantek 6022BL Oszilloskop (2 Kanäle, 20 Mhz Bandbreite, 48 MSa/s) mit 16-Kanal Logik Analysator für knapp 80 Euro aus Fernost.
Im Lieferumfang befanden sich zwei Tastköpfe (80Mhz, x1 und x10 umschaltbar), Verbindungskabel und Klemmen für den Logik-Analysator sowie ein Y-USB-Kabel für die Verbindung des Oszilloskops mit dem PC (falls ein USB-Port zu wenig Strom bereitstellt, kann damit gleichzeitig ein zweiter Port mitangeschlossen werden).
Ein gedrucktes Handbuch fehlt, die pdf-Ausgabe ist nur in englischer Sprache verfügbar.
Optisch und haptisch macht der Hantek 6022BL mit seinem Aluminium-Gehäuse insgesamt einen recht passablen Eindruck. Bei den Kanal-Buchsen hätte man aber ruhig etwas mehr Abstand zum Gehäuse bzw. zueinander lassen können für den bequemeren Anschluss der Tastköpfe.
Technisch fällt bereits auf den ersten Blick der fehlende externe Trigger-Eingang auf. Einen Aus-/Einschalter sucht man ebenfalls vergeblich.
Die Installation des Treibers und der Original-Software auf der mitgelieferten CD verlief problemlos. Wenn die Installation allerdings nicht auf Anhieb gelingt, muss erst der PC von sämtlichen Treiber-/Software-Rückständen bereinigt werden, bevor eine Neuinstallation erfolgen kann, sonst ist der Hantek nicht mehr ansprechbar.
Positiv ist, dass die Software auf Deutsch umgestellt werden kann.
40 Mhz stellt der Hantek 6022BL mit seinen 20 Mhz Bandbreite immer noch annehmbar dar, auch wenn der Sinus dann schon ein wenig zappelig ruckelt.
Angenehm ist, dass zusätzlich zum Oszillogramm verschiedene Messwerte (Minimum, Maximum, Spitzenspannung, Spitze-Spitze, Effektiv, Amplitude, Frequenz, Tastverhältnis etc.) aus einer Liste ausgewählt und als Digitalanzeige eingeblendet werden können.
Defizite
Zeitbasis und Volt/DIV sind nicht stufenlos einstellbar und auf software-mäßig vorgebenene Werte beschränkt. Für manche Messungen ist aber eine stufenlose Einstellung erforderlich, z.B. zum Messen des Phasenwinkels einer Phasenverschiebung.
20 mV/DIV als kleinster einstellbarer Wert ist darüber hinaus viel zu hoch. Die Darstellung bei 20m/DIV ist nicht mehr sauber, der Rauschanteil deutlich zu hoch (siehe Bild 7).
Vertikel stehen insgesamt acht DIVs zur Verfügung (ein DIV ist ein "Kästchen" auf dem Oszilloskop-Bildschirm). Stellt man 5V/DIV ein und misst ein Signal mit 10 Volt, sollte das Signal auf dem Oszilloskop mit 2 DIV in der Höhe dargestellt werden. Stattdessen zeigt der Hantek das Signal aber nur bis zu 1 DIV an, alles darüber hinaus wird abgeschnitten.
Bei Spannungen über 5 Volt ist ein 10:1-Tastkopf erforderlich, obwohl eigentlich ausreichend DIVs zur Verfügung stünden.
Wird die Zeitbasis auf größer als 1 Sekunde eingestellt, verläuft der angezeigte "Oszi-Strahl" nicht mehr über die gesamte Bildschirmbreite, sondern verkürzt sich auf einen sehr kleinen Bereich - wie Bild 8 und Bild 9 anschaulich darstellen.
Die Triggerung stimmt nicht exakt. Der Sinus in Bild 10 sollte genau durch die Schnittstelle in der Mitte laufen, ist aber ein wenig versetzt.
Die Darstellung erfolgen insgesamt träge, was besonders bei schnellen Signaländerungen nachteilig ist. Beim Wobbeln eines niederfrequenten Signals offenbart der Hantek erhebliche Probleme.
Beim trägen XY-Betrieb lässt außerdem die Darstellung sehr zu wünschen übrig (siehe Bild 11).
Die DIVs ("Kästchen" des Oszi-Schirms) werden im Übrigen nicht automatisch quadratisch dargestellt - wie es bei Oszilloskopen üblich ist, stattdessen muss man auf die Fenstergröße der Software achten und diese ggfs. anpassen. Verschiedene Monitorauflösungen schafften keine Abhilfe.
Die Farben der Wellenformen (Kanal 1 und 2) können nicht geändert werden. Das dient zwar vornehmlich lediglich dem Komfort, ist aber mittlerweile Standard.
Mit der Software kann man zwar Oszillogramme als Einzelbild speichern, eine Video-Aufnahme-Funktion fehlt jedoch.
Langzeitmessungen sind mit dem Hantek 6022BL nicht möglich. Gerade dafür wären PC-USB-Oszilloskope aber wie gemacht. Das ist aber nicht das einzige erhebliche Defizit.
Eklatante Mängel
In funktioneller Hinsicht lässt die Software grundlegende Funktionen vermissen und weist zudem eklatante Mängel auf.
Ein besonders schwerwiegender Mangel ist, dass die Eingangskopplung AC/DC nicht umschaltbar ist, was bei entsprechenden Messungen zu verfälschten Oszillogrammen führt. Das entsprechende Auswahlfeld ist ständig grau unterlegt (Bild 13).
Hinsichtlich der fehlenden AC-Kopplung kann man sich jedoch behelfen: Am einfachsten ist es, einen Kondensator (z.B. 100nF, mindestens 100V je nach Anwendung) in Serie zwischen Tastkopf und Messobjekt zu schalten, um z.B. die Restwelligkeit von Netzteilen/Leitung etc. messen zu können. Bei einem Test mit einem seriellen 100nF/400V-Kondensator lag die untere 3dB-Grenze bei 5Hz, die obere bei 13 MHz.
Beispiel: Ein Netzteil liefert 12VDC. Nun soll die Restwelligkeit von 30mV gemessen werden, was in der DC-Einstellung nicht möglich ist. Über den Kondensator aber wird die Gleichspannung abgekoppelt und nur der Wechselanteil durchgelassen. Daher kann die VOLT/DIV-Einstellung auch der Restwelligkeit angepasst, also z.B. auf 20mV/DIV, werden.
Die weiteren Mängel lassen sich leider nicht so einfach umgehen.
Auch wenn es so aussieht, als könnte man im Oszilloskop-Betrieb verschiedene Trigger-Modi auswählen, ist der Trigger nur als "Flanke" (Edge) verfügbar. Bei komplexen Signalen wird die Darstellung damit schwierig bis unmöglich.
Der Logik-Analysator des Hantek 6022BL verfügt über keinen Software-Trigger. Eine manuelle Auslösung ist im Allgemeinen schon nicht praxistauglich, hier kommt noch hinzu, dass der manuelle Auslöse-Button auch noch verzögert reagiert.
Serielles Bus-Decoding bzw. eine Protokollanalyse (UART/RS232, I2C, SPI, CAN, DCF77, LIN etc.) bietet die zugehörige Software ebenfalls nicht.
Messungen mit dem Cursor sind möglich, aber im Vergleich zu anderer Software umständlich und zeitraubend. Erst muss man den Cursor auf die erste Messposition per Mausklick setzen, dann den bereits gesetzten Cursor erneut mit der Maus anklicken, die linke Maustaste gedrückt halten und auf die zweite Messposition verschieben. Beim Loslassen ist dann der zweite Cursor gesetzt. Im Oszilloskop-Betrieb funktioniert der Cursor im Übrigen genauso mühselig.
Bei der (freien) Software anderer Logic-Analyzer-Hersteller genügt es dagegen, mit der Maus über das Signal zu fahren, damit unmittelbar und automatisch die Signaldaten eingeblendet werden.
Die mitgelieferten Anschlusskabel für den Logik Analysator sind in der Form nicht brauchbar. Die Verbindungsbrücken zwischen relativ starrem Kabel und Klemme lösen sich sehr leicht. Hier wäre ein beschrifteter 20-poliger Stecker mit Kabel unabdingbar.
Der Logic-Analyser kann zudem nicht gleichzeitig mit dem Oszilloskop betrieben werden. Man muss sich also entscheiden: Entweder Logic Analyzer oder Oszilloskop-Betrieb.
Letztlich läuft die Software - für Oszilloskop und Logic Analyzer - instabil und beendete sich mehrmals unvermittelt selbst (auf absolut stabil laufenden PCs mit WinXP, Win7 und Win10, bei denen Hard- und Software stets gewartet werden).
Angesichts dieser schwerwiegender Mängel wurde der Test schließlich vorzeitig abgebrochen.
Nebenbei fallen auch immer wieder Kleinigkeiten auf: Bei beiden mitgelieferten Tastköpfen sind zwar paarweise farbige Markierringe dabei, aber nur der Tastkopf selbst verfügt über eine Aussparung, um einen Farbring anzubringen. Am BNC-Stecker besteht dagegen keine Möglichkeit, den zugehörigen zweiten Farbring zu befestigen.
Kurz zusammengefasst
Positiv:
+ Metallgehäuse
+ 20 MHz (40 MHz) werden annehmbar dargestellt
+ Software in deutscher Sprache
+ Einblendung verschiedener digitaler Messwerte (auswählbar)
+ Oszillogramme können als Bild gespeichert werden
+ Open Source Software
Negativ:
- Software unzulänglich und defizitär
- Kopplung AC/DC nicht umschaltbar
- hoher Rauschanteil bei 20mV/DIV
- Minimum sind nur 20mV/DIV
- fehlerhafte Darstellung bei 5V/DIV-Einstellung
- bei Signalen >5Veff ist ein Tastkopf 10:1 erforderlich
- fehlerhaft verkürzte Signaldarstellung bei Zeitbasis >1s/DIV
- nur 1 Trigger-Modus (Flanke)
- Trigger nicht exakt mittig
- kein externer Trigger-Eingang
- Volt/DIV nicht stufenlos regelbar (fest vorgebene Werte)
- träge Signaldarstellung
- ungenügende Darstellung im XY-Betrieb
- keine Langzeitmessung möglich
- Wellenform-Farbe der Kanäle (CH1/CH2) kann nicht geändert werden
- keine Video-Aufnahmefunktion
- kein Aus-/Einschalter
- instabile Betrieb (unvermittelte Software-Abstürze)
- kein gleichzeitiger Betrieb von Oszilloskop und Logic Analyzer
- kein gedrucktes Handbuch
- pdf-Handbuch nur auf Englisch
- trotz zahlreicher Mängel und Defizite, datiert die Software auf das Jahr 2014
Logik-Analysator:
- kein Trigger, nur manuelle Auslösung
- keine Protokollanalyse / serielles Bus-Decoding
- Cursor-Messung mühselig
- mitgelieferte Anschlusskabel- u. Klemmen sind nicht praxistauglich
Kaufempfehlung: klares Nein
Fazit
Zusammengefasst wies das Testgerät bzw. die Software gravierende Mängel bei grundlegenden Funktionen auf. Besonders negativ fielen die fehlende AC-DC-Umschaltung und der fehlenden Trigger des Logic Analyzers auf. Auch der Trigger des Oszilloskops ist nicht überwältigend. Fehlerhafte Darstellungen bei Zeitbasis-Einstellungen >1 Sek. sowie bei 5V/DIV, der hohe Rauschanteil schon bei 20mV/DIV und eine instabile Software sind weitere, schwerwiegende Defizite.
Da die aktuellste Software aus dem Jahr 2014 stammt, ist eher nicht zu erwarten, dass noch Verbesserungen folgen. Die etwas bessere freie Software Open6022 wird ebenfalls seit 2014 nicht mehr weiterentwickelt. Schade, dass Hantek hier viel Potential ungenutzt lässt.
Gerade für Nutzer, die sich erste Kenntnisse gerade erst aneignen, ist es wichtig, mit einem zuverlässigen Gerät verlässliche Messergebnisse erarbeiten zu können. Sonst werden sie schnell verzweifeln, wenn die Hantek-Messergebnisse nicht mit dem Messaufbau oder dem Lehrmaterial übereinstimmen.
Auch wenn der relativ günstige Anschaffungspreis des Hantek 6022 auf den ersten Blick einladend wirkt, sollte man besser ca. 70 bis 130 Euro in ein gebrauchtes Oszilloskop (analog oder digital) investieren oder gleich ein neues Digitalspeicheroszilloskop ab ca. 250 Euro ins Auge fassen. Dann hat man vielleicht ein paar Euro mehr ausgegeben, dafür spart man sich aber Ärgerlichkeiten und verliert auch nicht die Freude an der Sache. Und als Bonus bekommt man vermutlich auch mehr Bandbreite.
Alle Angaben beziehen sich nur auf das Testgerät (Februar 2018).
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